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rbb Kultur Frühkritik am 6. Januar 2020 Clemens Goldberg
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Berliner Morgenpost
am 26. November 2019
Spectrum Concerts Berlin
Abschlusskonzert der 31. Saison
Eldar Nebolsin Klavier
Boris Brovtsyn und Clara-Jumi Kang Violine
Gareth Lubbe Viola
Torleif Thedéen Violoncello
Jens Peter Maintz Violoncello
BEWERTUNG: großartig
Die Kammermusik von Erich Wolfgang Korngold ist nach wie vor ein Geheimtipp. Wie sich dessen Streichsextett lohnen kann – vorausgesetzt, man hat ein herausragendes KammermusikEnsemble – wurde hier unter Beweis gestellt.
Selten gespielte Kammermusik – das ist ein Markenzeichen von "Spectrum Concerts", und da lässt sich der Künstlerische Leiter Frank Dodge auch nicht beirren. Zwar ist der Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie nicht einmal zur Hälfte gefüllt, aber immerhin sitzen 550 Leute im Publikum, was angesichts dieser unbekannten Musik gar nicht mal schlecht ist. Und auch Berlins Kultursenator Klaus Lederer hat es in dieses Konzert gelockt.
Wie schwer es ist, Korngolds Musik zu besetzen, zeigte dieser Abend: Eigentlich war auch dessen frühes Klaviertrio angesetzt, aber die Pianistin musste kurzfristig absagen, und so schnell findet man für diese unbekannte Literatur eben keinen Ersatz. So gab es stattdessen das zweite Streichsextett von Johannes Brahms, aber das Korngold Trio wird im Herbst nachgeholt – man will das alles auch aufnehmen und auf CD herausbringen.
Frühreifes Genie
Schon als Teenager hat Erich Wolfgang Korngold vollendete Werke komponiert. Sein Streich-sextett entstand mit noch nicht einmal zwanzig Jahren. Hier ist handwerkliche Meisterschaft gepaart mit jugendlicher Unverschämtheit. Da hat Korngold alles um sich herum aufgesogen: Brahms oder Richard Strauss, ganz der Spätromantik verhaftet mit süffigen Melodien.
Allerdings zeigt sich auch bald die herausgestreckte Zunge: Da klingt ein Thema, als ob daraus eine trockene Fuge entstehen würde – und wird zu einem wunderschönen Liebesthema. Da klingt schon der großartige Opernkomponist und – nach seiner Emigration in die USA – der gefeierte Filmmusikkomponist an. Ein bisschen Wiener Walzer wird verschaukelt und die GuteLaune Musik am Schluss mit ein paar Störattacken hinterfragt. Ernst und Spaß finden hier auf engstem Raum statt. Hier zeigt jemand seine Muskeln und präsentiert sich als Alleskönner: genial und unterhaltsam zugleich.
Großartige Virtuosen
Ein Grund, warum diese Musik fast nie gespielt wird, ist ihre Schwierigkeit. Da braucht man sechs großartige Virtuosen. Und die hat man hier – alle bewältigen das mit Leichtigkeit. Da ist der große Ton vorhanden, so dass es schon gar nicht mehr nach Kammermusik, sondern nach großem Orchester klingt. Jeder kann darüber hinaus eine Melodie zum Dahinschmelzen gestalten. Dabei hat es keiner von ihnen nötig, sich in den Vordergrund zu spielen. Man sieht – und hört natürlich, wie sie untereinander kommunizieren. Jeder weiß, mit wem er wo besonders eng zusammensein muss. Dass dieses Werk so überzeugen konnte, war auch dieser grandiosen Interpretation zu verdanken.
Zurücklehnen mit Rotwein
Da ist das zweite Streichsextett von Johannes Brahms sehr viel strenger. Diese ganzen Stilzitate und Eskapaden wie Korngold hätte sich Brahms nie gestattet. Gleichzeitig ist das Werk auch melancholischer, schließlich finden sich darin auch Nachklänge einer wieder gelösten Ver-lobung.
Dennoch gibt es Gemeinsamkeiten: Hier wie da beansprucht jede Stimme Eigenständigkeit, dann aber sind alle sechs gefordert, einen gemeinsamen Klangraum zu erschaffen. Und es soll niemand meinen, Brahms habe weniger Ausdruck. Es gibt Stellen, bei denen man sich einfach zurücklehnen kann. Ein guter Rotwein dazu, und die Welt ist wieder in Ordnung.
Glück mit Feuerschweif
Auch hier konnten alle sechs Musikerinnen und Musiker überzeugen. Da waren die Stimmen am Beginn fast durchsichtige Seidenfäden, und auch die folgende Verdichtung verklumpte nicht, sondern ließ Luft dazwischen. Dann aber nahmen sie alle Brahms von der emotionalen Seite mit einer klanglichen Wucht, dass man bei dem akustischen Feuerschweif mitunter zusammen-zuckte.
Das kann man nur so packend spielen, wenn man sich so gut versteht. Einen der Musiker muss man in Sachen Zusammenspiel dann doch hervorheben: Der Cellist Jens Peter Maintz beeindruckte, wie er in die Runde kommunizierte, fast mehr zu den anderen blickte als in seine Noten. Auch diese Interpretation war einfach nur beglückend.
Andreas Göbel, kulturradio Stand vom 02.05.2019
Her mit der Triangel!
Es gibt diese nervigen Menschen, die alles zweimal sagen, weil sie denken, es hört sie sonst keiner. Auch Tschaikowsky macht das gerne. Bei seinem a-Moll-Klaviertrio op. 50 kann man sich im eröffnenden „Pezzo elegiac“ kaum retten vor wiederholten Seufzermotiven; im zweiten Satz mit seinen ausufernden Variationen wird es nicht besser. Überreden statt überzeugen: Man fühlt sich gegängelt. Wenn da nicht die vorzüglichen Musiker von Spectrum Concerts wären: Boris Brovtsyn (Geige), Jens Peter Maintz (Cello) und Eldar Nebolsin (Klavier) reißen den symphonischen Horizont des elegischen Kammermusikwerks auf. Und wenn es zum Schluss nicht diesen erstaunlichen Trauermarsch gäbe. Am Ende tupft das Klavier nur noch eine tiefe Quart, langsam, langsamer - die Maschine steht still.
Womit wir bei Schostakowitsch wären. Nach der Pause wird dieser Eröffnungsabend zur 31. Saison der Spectrum Concerts im Kammermusiksaal zum Ereignis. Schostakowitschs 15. Symphonie erklingt in der Bearbeitung für Klaviertrio und zwei Schlagzeuger: Ni Fan und Lukas Böhm bespielen 13 Instrumente, auswendig. Her mit der Triangel, möchte man ihnen zurufen. Denn der Witz und die Todesnähe, die Liebe zur Spätromantik bei gleichzeitiger Sehnsucht nach dem endgültigen Ende der Tonalität, ja die Kühnheit dieses Spätwerks mit seinen apart aufscheinenden Zwölfton-Melodien tritt offen zutage.
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Exzellent, aber prekär: Die Spectrum Concerts haben es nicht leicht
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Schostakowitsch war 1971 bereits schwerkrank, er entkernt das Symphonische, wie zum allerletzten Mal. Die Kammermusikversion kehrt den Collagecharakter hervor, das Knöcherne, Jenseitige. Und die Ironie all der keineswegs versteckten Zitate, von Rossini über Mahler bis zu Wagners „Tristan“. Plötzlich klingt die Geige wie ein Akkordeon, Choralzeilen erscheinen chromatisch zerquetscht. Die Musik wandelt sich zur Pantomime, zur eigenen Parodie. Und der ähnlich wie bei Tschaikowksy entrückte Abgang mit Celesta, Xylophon, Streicherliegetönen und feinstem synkopischem Geklöppel atmet heiligen Ernst. Klangblock, leise Marschtrommel, Triangel - die europäische Klassik ist in ein tibetanisches Mönchskloster ausgewandert.
Als Nächstes sind zwei Korngold-Konzerte geplant und ein Abend mit Janine Jansen. Aber allen exzellenten Musikern und außergewöhnlichen Programmen zum Trotz kämpft die Reihe mit Geldsorgen. Spectrum-Gründer Frank Dodge appelliert deshalb an die Besucher. Freunde der unerhörten Musik lassen sich das gern dreimal sagen.
Christiane Peitz (13. März 2019)
Das Klaviertrio wird schockgefroren
Spiel mit Gegensätzen: Frank Dodge eröffnet seine Spectrum Concerts mit Werken von Tschaikowsky und Schostakowitsch
Exquisite Kammermusik hat ihren Preis: Mit knapper Kasse und viel Mühe schafft es die renommierte Kammermusikreihe Spectrum Concerts, auch ihre 31. Saison in Berlin zu finanzieren. Sie bietet dabei im Kammermusiksaal der Philharmonie ein Eröffnungskonzert, das so etwas wie einen Kammermusik-Weltrekord aufstellen zu meinen scheint, sowohl in Programm als auch in Besetzung. Schon im anfänglichen Klaviertrio a-moll op. 50 von Peter Tschaikowsky tritt unter anderem der russische Geiger Boris Brovtsyn auf – keiner der Klassik-Glamourstars unserer Tage, aber immer dann in Kammerensembles auf internationalen Bühnen zu finden, wenn der Hauch des Exklusiven, Hochkarätigen weht.
Mischung aus Präzision und Obsession
Es geht Brovtsyn offenbar darum, Werke des Repertoires, die viele Kollegen nur knapp bewältigen, in Vollendung darzubieten – wozu er entsprechend kompetente Partner eben bei Spectrum Concerts findet. Eine hohe Gage werden die Mitwirkenden trotz kräftiger Unter-stützung eines Berliner Spectrum-Förderkreises nicht bekommen haben – ihre Leistung ist ohnehin unbezahlbar.
Die Darstellung von Tschaikowskys Trio erzeugt Schwindel. Gerade das Zusammenspiel von Brovtsyn und dem Pianisten Eldar Nebolsin ist eine Mischung von Präzision des Klaviers und obsessiver Behandlung der Geige. Tschaikowskys ausladende und im Gebiet der Kammermusik in dieser Monumentalität kaum je dagewesene zwölf Variationen des zweiten Satzes beginnen Brovtsyn und der Cellist Jens Peter Maintz mit einem griffigen, ohne Aufwand erzeugten Ton und lassen sie in ein ekstatisches Spiel münden. Dieses bläst alle anfängliche Zweifel des Publikums fort, ob man diesen dunklen Winkel der romantischen russischen Seele nun wirklich kennenlernen wollte. Nebolsin seinerseits erweist sich mit seiner technisch vollendet ökonomischen Behandlung seines Instruments und seines Körpers in einem gleichwohl emotionalen Spiel als echter Schüler des großen russischen Klavierlehrers Dmitri Bashkirov, der mit seinen 87 Jahren ebenfalls im Publikum sitzt.
Kammermusik-Weltrekord – das fällt einem vor allem zu Dmitri Schostakowitschs zerfurchter 15. Sinfonie ein, die im zweiten Teil des Konzerts in einer Fassung für Klaviertrio und 13 Schlaginstrumente erklingt. Der vorherige glühende Fluss der Emotionen aus Tschaikowskys Klaviertrio wird schockgefroren. Die komplexen Ablösungen des hochkonzentriert von Ni Fan und Lukas Böhm bedienten Schlagapparats mit den Instrumenten des Trios funktionieren in dieser Formation perfekt. Gnadenlose Galopps und sarkastisch entstellte Volkslieder: Es offenbart sich in der skelettierten Kammermusikfassung dieses Spätwerks überdeutlich, wie sich die musikalischen Horrorgestalten aus der diktaturgeschundenen Seele des alten Komponisten zu einer sinfonischen Form, zum allgemein Menschlichen verfestigen.
Matthias Nöther (13. März 2019)
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> Bitte anklicken und lesen. Der Tagesspiegel am 21. Januar 2018
Die Konzertreihe erinnert an den Pionier der Jazz-Komposition in Europa. Seine Kompositionen trafen den Nerv der Zeit in ihrer Mischung aus traditionellen Gattungen und einer vorsichtig erweiterten Tonalität.
Doppelt diskriminiert hält besser! Oder wie soll man das, bitte schön, sonst nennen?! Nachdem etliche Musiker in der NS-Zeit verfolgt und in Konzentrationslagern ermordert wurden, hat man ihnen das Label "KZ-Musik" angeheftet. Komponisten wie Pavel Haas, Hans Krása, Gideon Klein und Victor Ullmann wurden zuletzt, unter dieser Fahne segelnd, immerhin wieder ins allgemeine Bewusstsein zurückgeholt. Ein bitterer Nach-geschmack bleibt, da sich die Musiker ihre Rubrik gewiss nicht ausgesucht haben. Höchste Zeit, sie einfach als gute Musiker anzusehen.
Der wohl bedeutendste Komponist aus der Reihe der Verfolgten, und derjenige mit dem größten Œuvre, ist der 1894 in Prag geborene Erwin Schulhoff. Als einer der Ersten integrierte
er den Jazz in die Klassik. Stärker als die von ihm geförderten Kollegen Schönberg und Berg nahm sein Werk eine politische Wendung – so wie man es bei Kurt Weill und später bei Paul Dessau
und Hanns Eisler beobachten kann. 1932 ver-tonte Schulhoff das Kommunistische Manifest und geriet auf die Liste "entarteter Musiker". 1941 wurde er Sowjetbürger und in Prag interniert. Im Jahr darauf
starb er an den Folgen seiner Deportierung und Inhaftierung im Lager Wülzburg in Bayern.
Wenn man Schulhoff jetzt erstmals ein ganz reguläres Portrait-Konzert im Kammer-musiksaal widmet, wo vier zentrale Kammermusik-Werke dem Klavierquintett von Schostakowitsch
gegenübergestellt werden, so ist dies: eine Sensation an Norma-lisierung. Schulhoffs Streichsextett von 1924 vermittelt, so Veranstalter Frank Dodge, "eine Vorahnung von dem, was der Welt
passieren wird". Und ist dennoch "komponiert für Musikhörer, nicht nur für Bürger einer sozialen Gesellschaft". Die Sonate Nr. 2 für Violine und Klavier entstand auf dem Höhepunkt der Wiener Schule-
und Dada-Begeisterung Schulhoffs. Sein Duo für Violine und Violoncello ist das mit Abstand meistaufgeführte Werk des Komponisten. "5 Études de Jazz" für Klavier tänzeln vorweg.
Das Ganze wird im Rahmen der legendären "Spectrum Concerts" von Boris Brovtsyn (Violine), Maxim Rysanov (Viola), Jens-Peter Maintz (Cello), Eldar Nebolsin (Klavier) u.a. zum Besten gegeben.
Nachdem die "Spectrum Concerts" unlängst akut abwick-lungsbedroht waren, beschied eine – selten kluge – Entscheidung des Berliner Ab-geordnetenhauses der Veranstaltungsreihe eine jährliche
Förderung von 35.000 Euro. "Wir sind nunmehr entschlossen, bald unser 30-Jähriges zu feiern", sagt Initiator Frank Dodge.
Diesen Durchhalteimpuls wird man auch brauchen. Langjährige Mitspieler wie die großartige Geigerin Janine Jansen konnten in der Krisenphase nicht gebucht werden. Jansen wird ab der nächsten
Spielzeit wieder regelmäßig mit dabei sein. Die Arbeit der Reihe wird stets durch CDs bei Naxos dokumentiert; zuletzt mit einer sehr schönen Arensky-Aufnahme. Es sind die – auch aufnahmetechnisch –
besten Produktionen der Firma. Hoch sollen die "Spectrum Concerts" leben! Und Schulhoff mit ihnen.
Kai Luehrs-Kaiser
Spectrum Concerts:
Erwin Schulhoff, Philharmonie/Kammermusiksaal, So 3.1., 20 Uhr,
Karten-Tel. 84 10 89 09