Ein Amerikaner in Berlin,
der den Brauch des Mäzenatentums pflegt
NOTIZBLOCK von Christoph Stölzl (Oktober 2003)
Tu gutes, und sprich darüber! So will es der amerikanische Brauch beim Mäzenaten-tum. Dahinter steckt ein Geist der selbstverständlichen Selbsthilfe, den nach Deutsch-land zu importieren bisher niemand so recht gelungen ist. Kluge Menschen sagen, das läge daran, dass wir nicht von der calvinistischen Variante des Christentums geprägt sind wie die Amerikaner. Die nämlich erlegt dem wirtschaftlich Erfolgreichen auf, seinen Gewinn (der in den Geschäftsbüchern der alten Puritaner unterm Strich oft ganz wört-lich als “Gottes Segen” verzeichnet wurde) auch zu guten Werken einzusetzen. Funk-tionieren tut dieses schöne System nur dann, wenn auch die anderen, die sich des Mäzenatentums erfreuen, ohne Scheu die guten Werke preisen.
Uns Europäern, die wir gewöhnt sind, dass der Staat in Gestalt des Finanzamts tief in unsere Taschen greift und dann mehr oder weniger Vernünftiges damit anfängt, haben oft Schwierigkeit, mit der gut geölten Maschine des Mäzenatenlobs in Amerika zurecht-zukommen. Uns erscheint es manchmal seltsam naiv, manchmal sogar peinlich, dass in den Schulen die Turnhallen, in den Museen fast jeder Raum, in den Konzerthäusern die Sitze und in den Universitäten die Lehrstühle das Loblied edler Spender singen. Messingplaketten überall, nicht nur auf den gespendeten Parkbänken wie bei uns. Aber ob man es ganz natürliche Dankbarkeit nennt oder das listige Anfeuern der Konkurrenz unter den Stiftern um den größeren Ruhm – funktionieren tut es jedenfalls. Und je mehr bei uns dem Staat, also uns, den Steuerzahlern, die Luft ausgeht, desto neugieriger schauen wir auf das amerikanischen Beispiel. Auch ich will heute ein Loblied singen auf einen Amerikaner in Berlin. Er hat eine Wünschelrute für Mäzene gefunden. Sie besteht aus seiner eigenen Begeisterung für höchste Qualität. Der exzellente Cellist Frank Dodge kam vor 21 Jahren nach Berlin. Seine große Liebe gilt der Kammermusik. Vor fünfzehn Jahren erfand er “Spectrum Concerts”, eine Reihe hochkarätiger Konzerte, zu denen er die besten Musiker zusammenholte – von überall her auf der Welt.
Die Programme verbanden Wiederentdeckungen europäischer Klassiker mit amerika-nischen Kompositionen, die man hier zulande nie zu hören bekommen hätte. Wie sensationell gut die Konzerte waren, davon soll hier gar nicht geschwärmt werden, das ist Sache der Konzertkritik. Aber noch erstaunlicher ist, dass der Förderkreis des Spectrum Concerts wohl die einzige bedeutende Kulturinstitution ist, die alles (!) durch private Spenden finanziert. Selten habe ich einen so durch und durch aus dem Prinzip der Sympathie lebenden Menschen wie Frank Dodge kennen gelernt. Berlins Musik-leben schuldet ihm sehr viel Dank. Den können wir ganz einfach manifestieren: Am nächsten Mittwoch Abend beim neuen Konzert im Kammermusiksaal. Ehrensache! Frank Dodge verdient eine Schlange vor der Kasse und dann so konzentrierte Zuhörer, dass man die Musiker atmen hört, obwohl sie spielen. So war es beim letzten Mal, und alle waren glücklich. Die Künstler, die Mäzene, das Publikum, und seitwärts, strahlend übers ganze freundliche Gesicht, Frank Dodge.
Christoph Stölzl