Über Spectrum Concerts Berlin
Die Vision
Noch vor einem Jahrhundert waren Amerika und Deutschland eng verbunden durch die gemeinsame Liebe zur Musik, sowohl über die Amerikaner deutscher Abstammung als auch über viele junge Amerikaner, die Deutschland – damals das bedeutendste Zentrum für Musik, Kunst und Philosophie - besuchten. Getrennt durch die Schrecken zweier Weltkriege, können diese bedeutenden Kulturen entscheidend durch das Kammermusik-Erlebnis auf hohem Niveau an Herz und Verstand wiedervereint werden.
Musik ist ein Mittel wirkungsvoller und direkter Kommunikation. In ihrer reinsten Form kann diese zu Augenblicken tiefsten Verständnisses führen und Einsichten vermitteln
jenseits der Macht von bloßen Worten. Kammermusik, so genannt wegen der kleineren räumlichen Anforderungen und der geringen Anzahl der ausführenden Musiker, schafft eine besonders familiäre
Atmosphäre und bietet ein Hörerlebnis von außergewöhnlicher Qualität. Solche Momente musikalischer Intensität können weitreichende Konsequenzen haben.
Der Auftrag
1988 gründet der in Deutschland lebende, amerikanische Cellist Frank Dodge Spectrum Concerts Berlin. Mittlerweile in der 32. Saison ist das Ensemble in der Stadt, in
der es geboren wurde, längst etabliert und hoch geachtet. Die Aufführung von Kompositionen zeitgenössischer amerikanischer Komponisten waren dabei ebenso ein integraler und wichtiger Bestandteil wie
auch die zwei American Music Weeks, die auf Einladung von hochrangigen politischen Vertretern und Kulturbeautragten in Verbindung mit Vorträgen und Kunst-ausstellungen durchgeführt wurden. Die von
der internationalen Musikwelt hoch gelobten CD-Einspielungen haben diese Gruppenarbeit weltweit zugänglich gemacht.
Spectrum erarbeitete darüber hinaus zwei Konzertprogramme mit deutschen Musikstudenten, die unter anderem auf zwei Konzertreisen durch die USA präsentiert wurden. Aufgrund der großen Resonanz in Berlin, wurde Spectrum Concerts Berlin-USA, Inc. gegründet, um so die Arbeit auf die USA auszuweiten. Dies beinhaltet nicht nur Konzerte des professionellen Ensembles, sondern auch die Zusammenarbeit mit Studenten sowie die Organisation weiterer Kultur-erlebnisse.
Im geschichtlichen Rückblick wirken manche Ereignisse wie Vorboten größerer Veränderungen. Die Spectrum Concerts Berlin traten am 22. Januar 1988 zum ersten Mal an die Öffentlichkeit, knapp zwei Jahre, ehe die Mauer fiel. Im Musikleben des noch geteilten Berlin setzten sie neue Zeichen in dreierlei Hinsicht:
1) in ihrem Repertoire und der Art ihrer Programmgestaltung,
2) in Zusammensetzung und Kooperation des Ensembles,
3) in der Art ihrer Finanzierung.
Für die Programmgestaltung waren von Anfang an zwei Begegnungen grundlegend: 1) die Musik des 18. und 19. Jahrhunderts begegnet Musik der aktuellen Gegenwart, 2) Musik aus Europa begegnet Musik aus den USA, in beiden Fällen also die so genannte Alte der Neuen Welt in der Tonkunst. Der transatlantische Brückenschlag war auch von dem Bewusstsein getragen, dass viele NS-verfolgte Künstler, unter ihnen führende Komponisten ihrer Zeit, in den USA Zuflucht fanden und dort teils das Musikleben mitgestalten konnten, teils zusätzlich zum äußeren noch ins innere Exil gingen. Exilkomponisten waren im deutschen Nachkriegsrepertoire nur spärlich ver-treten. Dass Komponisten wie Ernst Toch, in den 1920er-Jahren einer der am häufigsten aufgeführten, in den letzten Jahren wieder ins öffentliche Bewusstsein rückten, ist ein Verdienst der Spectrum Concerts Berlin.
Für das Ensemble der Spectrum Concerts Berlin gewann Frank Dodge, gebürtiger Amerikaner, Musikerkollegen, die international als Solisten konzertieren, und junge Künstler, die am Anfang einer verheißungsvollen Karriere stehen, unter ihnen sind seit Auflösung der starren Machtblöcke auch zunehmend Musiker aus Osteuropa. Kontinuität und ständige Erneuerung spielen bei Spectrum belebend und qualitätsfördernd ineinander. Die Künstler sind von dem gemeinsamen Wunsch beseelt, Kammermusik auf bestem Niveau aufzuführen, denn darin ist jeder als Solist und zugleich als sensibler Teil einer Gemeinschaft gefordert; Freiheit und Verantwortung verbinden sich, die Künstler wollen nicht in ihrer Vereinzelung, sondern als Gemeinschaft brillieren. Der Kammermusik haben Komponisten seit Haydn und Beethoven ihre zukunftsweisenden Gedanken anvertraut, sie war einerseits das Laboratorium großer symphonischer Werke, andererseits die Verdichtung der Er-fahrung, die mit jenen gesammelt wurde. Seit der klassischen Ära ist sie daher ein lebenswichtiger Teil der abendländischen Musik.
Als offenes Ensemble kann Spectrum in jedem Programm mit verschiedenen Be-setzungen auftreten; die Programmgestaltung gewinnt dadurch größere Flexibilität und inhaltliche Dichte als bei Ensembles, die nur in einer gleichbleibenden Zusammensetzung auftreten können.
Seit der Gründung geben engagierte und couragierte Privatpersonen, Firmen und Stiftungen den Spectrum Concerts Berlin Basis und Zukunft. Diese Methode, Kultur privat zu finanzieren, wird in den achtziger und neunziger Jahren als Pionierarbeit betrachtet. Bundespräsident a. D. Dr. Richard von Weizsäcker, Ehrenmitglied des Förderkreises Spectrum Concerts Berlin e. V., rief anlässlich der 15. Saison in Erinnerung: „Kultur und Kunst leben davon, dass wir nicht nur konsumieren, sondern sie mit unse-ren bescheidenen Mitteln fördern.“ 1995 wird der Förderkreis Spectrum Concerts Berlin e. V. gegründet. Rolf Liebermann und Wolfgang Stresemann sind die ersten Ehrenmitglieder. Anlässlich der zweiten „American Music Week Berlin“ wird die Ehrenmitgliedschaft des Förderkreises an die Komponisten John Harbison und Robert Helps verliehen. Am 17. Juni 2003 wird Dr. Richard von Weizsäcker Ehrenmitglied, seit Juni 2011 ist auch Nina Baronin von Maltzahn Ehrenmitglied des Förderkreises.
Spectrum setzte Trends, blieb am Trend und verhielt sich zugleich azyklisch. Um 1990 waren auch die kulturpolitischen Überlegungen in Deutschland auf das eigene Land und die europäische Perspektive konzentriert. Spectrum hielt die transatlantische Verbindung musikalisch präsent, weil die Künstler und ihre Unterstützer wissen, dass durch Kunst und Kultur langfristige Brücken der Verständigung geschlagen werden, deren Tragfähigkeit sich unabhängig vom Auf und Ab der politischen Beziehungen beweist. Private Finanzierung kultureller Initiativen wurde in den neunziger Jahren als Zukunftsmodell propagiert. Spectrum schuf bei sich von Anfang an die Basis dafür. Aber die Künstler und der Freundeskreis verfielen nie dem Irrtum, dass sie sich durch angeblich „gefällige“ Programme einen Marketing-Vorteil verschaffen könnten. Sie ehren und überzeugen ihr Publikum außer durch Qualität auch dadurch, dass sie ihm wie sich selbst die Lust am Anspruchsvollen und die menschlich selbstverständliche Neugier zutrauen.
Spectrum Concerts Berlin hat Komponisten wie John Harbison, Tison Street, David Del Tredici, Stanley Walden und Laura Schwendinger bekannt gemacht. Robert Helps wurde besondere Aufmerksamkeit zuteil, denn er symbolisiert in seiner Person und in seiner Musik die Idee des Brückenschlags, die für Spectrum Concerts grundlegend ist. Er war Komponist und Interpret, komponierte vom Instrument, vom Klang her. Gebürtiger Amerikaner, stand er in engem Kontakt mit Emigranten aus Europa und setzte sich für die Aufführung ihrer Werke ein. Der Geist der produktiven Auseinandersetzung bestimmte auch sein Komponieren, eine klangfreudige Moderne von unmittelbarer Überzeugungskraft.
2005, in einer Zeit, in der amerikanische Kulturinstitutionen und Berufsorchester unter starken finanziellen Einschränkungen litten und ihre Aktivitäten zum Teil deutlich reduzieren mussten, gründete Frank Dodge (wiederum azyklisch, aber zukunftsweisend) Spectrum Concerts Berlin–USA, Inc.. Im November 2006, im April 2008 und im Dezember 2011 gastierte das Spectrum Ensemble in den USA, konzertierte in der New Yorker Carnegie Hall, gestaltete im New Yorker Times Center, am College of Staten Island, im Goethe Institut Los Angeles und in der Villa Aurora Konzerte als Hommages an die Exilkünstler Ernst Toch und Paul Hindemith. Im Dezember 2011 wurde das Robert-Helps-Projekt in der Heimat des Komponisten vorgestellt.
Am 22. Januar 2018 feierte Spectrum Concerts Berlin sein 30-jähriges Bestehen und trat in das vierte Jahrzehnt seines Bestehens ein. Am Ende der jetzigen Saison werden neue Herausforderungen auf Musiker, Freunde und Organisatoren von Spectrum Concerts Berlin warten.
Die vierte Dekade 2018-2028
Zitat aus Spectrum Concerts Berlins jüngster Veröffentlichung "Shall We
Dance": >
"Am Ende der 31. Saison steht Spectrum relativ gut da. Die nächste Spielzeit ist überwiegend abgesichert. Die notorischen finanziellen Sorgen sind seit 2014 durch eine jährliche Zuwendung des Berliner Senats gemildert, die immerhin ca. 22 Prozent des Jahresetats deckt (um deren Fortsetzung allerdings jedes Jahr gebangt wird). Programmatisch weist das Ende der Saison direkt in die nächste voraus. Das Korngold-Projekt geht dann in seine letzte Phase. Spectrum hat sich dem Emigranten aus Wien, der lange Zeit auch in Berlin wirkte, erstmals 2005 zugewandt. Das einstige Wunderkind emigrierte schließlich nach Los Angeles. Die romantische Kühnheit seiner Kammermusik passt zu Spectrum. Musikalisch wurde in den gut 30 Jahren vieles und Vielfältiges geleistet. Der lange Atem, der in beängstigenden Situationen bisweilen stockte, aber nie aussetzte, hat sich bewährt."
Die 35. und 36. Saison (2023 und 2024) von Spectrum Concerts Berlin umfasst jeweils fünf Konzerte im Kammermusiksaal der Philharmonie, zwei CD-Produktionen mit
Kammermusik von Sergej Tanejew, die von Naxos in Zusammenarbeit mit Deutschlandfunk Kultur veröffentlicht werden sowie weitere Projekte im Kosovo und in den USA.